Der Weltmarkt spielt verrückt

Eine Umfrage unter den Mitgliederfirmen der Bülacher Industrien zeigt: Nach einer pandemiebedingt schwierigen Zeit verzeichnen die meisten Firmen volle Auftragsbücher. Doch das führt nicht automatisch zu einer ungetrübten Auslastung. Denn die grösste Herausforderung spielt sich derzeit auf den internationalen Märkten ab: Die Rohstoffpreise steigen ungebremst, die globalen Lieferketten verzeichnen massive Engpässe oder sind gar komplett unterbrochen. Die Firmen berichten, wie sie die aktuelle Preis- und Liefersituation erleben.

Baltensperger AG:

Vom «courant normal» zur Materialpreisexplosion

Manch einer hat die Disruptionen auf den Zuliefermärkten, namentlich tiefere Lieferkapazitäten und steigende Preise, im Zusammenhang mit den weltweiten Pandemiemassnahmen deutlich früher erwartet. Als im ersten Halbjahr 2020 viele Produktionsstätten, insbesondere im naheliegenden Ausland, auf Sparflamme operierten, wunderte man sich, dass die Lieferfähigkeit weitgehend erhalten blieb. In Sachen Materialbeschaffung herrschte im Jahr 2020 nahezu «courant normal».
Im Frühling des laufenden Jahres änderte sich dies jedoch in ungeahntem Ausmass. Im Wochenrhythmus flatterten Ankündigungen von Lieferengpässen und Preissteigerungen seitens der Lieferanten ins Haus von Baltensperger. Der Preis für Stahlbleche (KBOB-Produktcode 24.10.31 – siehe https://www.bfs.admin.ch/asset/de/su-d-05.04-kbob-01) zum Beispiel kletterte von Dezember 2020 bis Juli 2021 um satte 80 Prozent. Die Abwälzung dieser ausserordentlichen Materialteuerung stellt eine neuartige Herausforderung dar. Baltensperger bleibt aber zuversichtlich, dass sich geeignete Lösungen finden lassen und hofft, dass die Situation sich zum Jahresende hin entspannen wird.

 

Mageba SA:

Stark steigende Seefracht-Preise

Die steigenden Rohstoffpreise spürt die Mageba-Gruppe weltweit, wobei das Hauptaugenmerk den Preissteigerungen von Baustahl und Seefracht gilt. Dank Rahmenverträgen mit Lieferanten und rascher Anpassung der Angebotskalkulation konnte die Auswirkung der Stahlpreise begrenzt werden. Problematischer sind die stark steigenden Seefracht-Kosten, die gepaart mit massiv längeren Transitzeiten die Lieferketten unterbrechen. Dies führte zu Engpässen in den Werken und zu Kostensteigerungen, die sich nicht einfach kompensieren liessen. Den Themen Preissteigerung, Lieferengpässe und Transportverfügbarkeit widmete Mageba bereits Anfang Jahr viel Aufmerksamkeit, was den Schaden stark begrenzte. Gerade bei der Seefracht sieht das Unternehmen aber keine rasche Beruhigung.

Oertli Werkzeuge AG:

Massive Verwerfungen der Lieferketten

Durch die anhaltende Corona-Pandemie sind die globalen Lieferketten massiv angeschlagen. Der Stau am Suezkanal nach der Havarie der Evergiven im Frühling und Mitte August die Sperre des drittgrössten Hafens der Welt – Ningbo Zhoushan – nach einem einzigen Coronafall haben neben vielen anderen Faktoren den nachfrageseitig entstandenen Durst nach fehlenden Bauteilen und Enderzeugnissen in Europa zusätzlich verschärft.

Holz als Baumaterial, Möbelbeschläge, Halbleiter und viele andere Warengruppen sind weltweit Mangelware geworden. Das beeinträchtigt nicht nur Fertigstellungstermine massiv, sondern hat dem Marktgesetz von knapperem Angebot und höherer Nachfrage folgend auch die Lieferzeiten verlängert und die Preisspirale stark beschleunigt. Diese globale Entwicklung stellt auch für die Oertli Werkzeuge AG eine grosse zusätzliche Herausforderung dar.

 Versorgungssicherheit bei den Rohstoffen ist entscheidend für die termingetreue Fertigung von Oertli Präzisionswerkzeugen.

Sablux Technik AG:

Der Markt spielt verrückt

Seit dem ersten Quartal 2021 spielen einzelne Lieferbereiche verrückt. Zuerst wurden Preise massiv ohne näheren Grund erhöht. Dann wurden Liefertermine weit nach hinten verschoben. Für manche Produkte gibt es schon gar keine verlässlichen Termine mehr.

Rahmen- oder Abrufaufträge zu einem fixen Termin sind so gut wie gar nicht mehr zu erhalten. Zudem können bei langfristigen Lieferungen keine Preise fixiert werden. Unerträglich ist, dass im Moment bei manchen Teilen eine Lieferzeit von mindestens sechs Monaten angegeben wird. Wie will man da seine Kunden beliefern? Im Anlagenbau und Service hat das fatale Folgen. Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass für Metallabfälle nichts mehr bezahlt wird. Denn an anderer Stelle sind immense Rohstoffzuschläge zu zahlen.

Eine Maschine von Sablux Technik AG, die als Folge des verzögerten Eintreffens von Zulieferteilen nicht fertiggestellt werden kann.

SF-Filter AG:

Wenig Rohstoffe, wenig Transportplatz

2021 brachte viele Hürden mit sich. Die Verfügbarkeit der Rohstoffe sank, wodurch die Rohstoffpreise stiegen. Doch nicht nur die Preissteigerung ist eine Herausforderung; die sinkende Verfügbarkeit der Rohstoffe führt zu maximalen Bestellwerten bei den Lieferanten von SF-Filter AG und somit zu längeren Lieferzeiten. Die Rohstoffe sind knapp geworden, und die Kapazitäten im Transportbereich sind viel stärker ausgebucht als vor Corona. Weil die Pandemie inzwischen abflachte, entstand ein «Nachfragesog». Was bedeutet, dass nicht mehr genügend Container verfügbar sind und/oder auf den Transportschiffen zu wenig Platz vorhanden ist.

Nichtsdestotrotz schaut die SF-Filter-Gruppe positiv in die Zukunft und ist überzeugt, die Hürden mit ihren kompetenten Mitarbeitern und der guten Zusammenarbeit mit den Lieferanten zu meistern.
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Vetropack:

Nachfrage-Boom und globale Teuerung

Nach einem ersten Geschäftsquartal 2021, das von Unsicherheiten geprägt war, stieg in ganz Europa die Nachfrage nach Glasverpackungen. Die Konsumenten schätzten sehr, sich wieder ausser Haus zu treffen, sei es in Restaurants, Cafés, Bars oder Clubs. Aufgrund des Nachfrage-Booms mussten die wieder geöffneten Gastronomiebetriebe ihre Lager aufbauen. Die Vetropack-Gruppe reagierte sofort auf den Wiederaufschwung. Die hohe Lieferbereitschaft und die zusätzlichen Kapazitäten – insbesondere das im November 2020 gekaufte Glaswerk in Moldawien – waren dafür entscheidend.

Von der bereits deutlich spürbaren globalen Teuerung der Betriebsmittel wie Energie, Rohstoffe, Verpackung und Transport ist auch die Vetropack-Gruppe betroffen. Die Inflation der Produktionskosten wird zu einer generellen Steigerung der Verkaufspreise führen. Wie diese notwendigen Preisanpassungen im zweiten Halbjahr umgesetzt werden können, ist jedoch noch offen

Wiegand AG:

Vorprodukte sind knapp, Liefertermine lang

Industrielle Vorprodukte wie Holz, Stahl und Plastik sind knapp. Das setzt Wiegand als Industrie und Handwerksbetrieb unter Druck. Die Nachfrage nach Rohstoffen ist in der Pandemie gestiegen, ausgelöst durch unterbrochene Lieferketten, beginnend bei der Gewinnung des jeweiligen Rohstoffs bis zum Eintreffen der Ware (u. a. Blockade der Häfen, Quarantänebestimmungen sowie Containerknappheit). Funfact: Während eines kurzen Zeitraums war es kostengünstiger, Ware aus China mit der Bahn zu transportieren als mit dem Schiff, und man hatte die Ware erst noch zwei bis drei Wochen früher in der Schweiz. Nach ein paar Tagen bemerkten das die Bahnunternehmen und erhöhten die Preise.

Leere Lager, eingeschränkte Angebote und die anhaltend hohe Nachfrage führen zu einer Spirale, die Preise und Termine in die Höhe und Länge treibt. Stahlpreise haben sich verdoppelt; der Polymerpreisindex (Plastik) ist rund 40 Prozent höher als im Vorjahr. Wiegand rechnet mittelfristig nicht mit einem Ende der Preissteigerung.

Um weiterhin die Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten, ist es noch wichtiger geworden, mit den Zulieferern eng in Kontakt zu bleiben. Nur in seltenen Fällen ist die Firma Wiegand AG Direktimporteur von Rohmaterialien. Diese werden vorwiegend von ihren Schweizer Lieferanten bestellt.

Liefertermine von bislang drei Monaten können im Moment schnell zum halben Jahr werden, oder es ist gar unmöglich, einen Liefertermin bestätigt zu erhalten.